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Theoretische Grundlagen des Auswuchtens

Auswuchten einer Schleifscheibenaufnahme mit Wuchtringen und Wuchtschrauben | © HAIMER

Bei rotierenden Körpern ist Unwucht ein allgegenwärtiges Phänomen. Ein typisches Beispiel sind die rotierenden Werkzeugsysteme auf Werkzeugmaschinen.

Da die Unwucht eine Zentrifugalkraft erzeugt, die sich linear mit der Unwucht erhöht und mit der Anzahl der Umdrehungen quadriert, macht sich die Unwucht umso stärker bemerkbar, je schneller ein Rotor dreht. Doch wie entsteht Unwucht, wie lässt sich diese messen und wie lässt sich durch Auswuchten eine höhere Rundlaufgenauigkeit herstellen?

Auf der folgenden Seite haben wir Ihnen die theoretischen Grundlagen des Auswuchtens zusammengestellt, die die Basis des Werkzeugwuchtens darstellen.

1. Ursachen für Unwucht

  • Unsymmetrische Bauweise des Rotors (z. B. Greiferrille bei Werkzeugaufnahmen nach DIN 69871 oder Spannschraube bei Weldon-Aufnahmen)
  • Unsymmetrische Massenverteilung durch Rundlauffehler aufgrund von Fertigungstoleranzen, z. B. Rundlauf des Werkzeugaußen-ø zum Steilkegel.
  • Fluchtungsfehler bei Montage eines Rotors aus mehreren Bauteilen, z. B. Frässpindel und Werkzeugaufnahme, Werkzeugaufnahme und Werkzeug.
  • Rundlauffehler in der Lagerung eines Rotors, z. B. Lagerung der Spindel.

2. Was ist Unwucht?

2.1 Statische Unwucht

Grafik zur Veranschaulichung der statischen Unwucht | © HAIMER

Schwerpunkt eines Rotors liegt außerhalb der Drehachse

  • auch bei stillstehendem Rotor messbar, z. B. mit Auswuchtwaage für Schleifscheiben
  • bewirkt bei Rotation Fliehkraft senkrecht zur Drehachse
  • kann durch Auswuchten in 1 Ebene beseitigt werden. Die Lage der Auswuchtebene ist beliebig. In der Regel kann nach dem statischen Auswuchten noch eine Momentenunwucht übrig bleiben.

MU = Unwuchtmasse (in g)
r = Abstand der Unwuchtmasse von der Drehachse (in mm)
M = Masse des Rotors (in kg)
e = Abstand des Schwerpunktes von der Drehachse (in μm)
S = Schwerpunkt
FF = Fliehkraft
Größe der statischen Unwucht: U = MU • r = M • e
Einheit der Unwucht: [U] = g • mm = kg • μm

2.2 Momentenunwucht

Grafik zur Veranschaulichung der Momentunwucht | © HAIMER

Schwerpunkt liegt auf der Drehachse

  • nur bei drehendem Rotor messbar
  • bewirkt bei Rotation Kippmoment
  • Fliehkräfte der beiden Unwuchtmassen heben sich gegenseitig auf (keine Kraft in seitlicher Richtung)
  • kann nur durch Auswuchten in 2 Ebenen beseitigt werden.

MU1, MU2 = Unwuchtmassen (in g)
S = Schwerpunkt
r = Abstand der Unwuchtmassen von der
Drehachse (in mm)
M = Masse des Rotors (in kg)
FF1, FF2 = Fliehkräfte
MU1 = MU2
FF1 = FF2

2.3 Dynamische Unwucht

Kombination aus statischer und Momentenunwucht

  • Regelfall bei technischen Rotoren

3. WAS IST AUSWUCHTEN

Grafik zur Veranschaulichung des Ausgleichs der Unwucht | © HAIMER

Beim Auswuchten wird die unsymmetrische Massenverteilung eines Rotors wieder ausgeglichen und so die Rundlaufgenauigkeit wieder hergestellt.
Dies kann geschehen durch:

  • Anbringung von Masse, z. B. Klemmgewicht beim Auswuchten von Autoreifen, Wuchtschrauben
  • Entfernen von Masse, z. B. durch Abbohren
  • Verstellen von Masse, z. B. Drehringe

3.1 Auswuchten in 1 Ebene (statisch)

Ausgleich des statischen Anteils einer Unwucht:

  • Schwerpunkt des Rotors wird auf die Drehachse zurückgebracht (Exzentrizität e=0)
  • Momentenanteil einer dynamischen Unwucht bleibt bestehen

3.2 Auswuchten in 2 Ebenen (dynamisch)

Vollständiger Ausgleich der Unwucht (statische und Momentenunwucht)

  • Lage der Auswuchtebenen ist prinzipiell beliebig (günstig: möglichst großer Abstand)

4. Messung der Unwucht

Messprinzip

Grafik zur Veranschaulichung der Messung der Unwucht | © HAIMER
  • Werkzeugaufnahme inkl. Werkzeug werden in Wuchtspindel eingesetzt und in Drehung versetzt.
  • Auftretende Fliehkräfte werden mit Kraftsensoren gemessen.
  • Die Messung der Fliehkräfte erfolgt in 2 verschiedenen Ebenen an der Aufhängung der Wuchtspindel. Da sich die Wirkrichtung der Fliehkräfte mit der Spindel mitdreht, ergibt sich ein sinusförmiges Kraftsignal. Es muss sowohl die Größe des Signals als auch dessen Winkellage bezogen auf die Spindel ermittelt werden.
  • Aus Kraftsignalen Berechnung der Unwuchten bezogen auf die Auswuchtebenen. Wenn die Lage der Auswuchtebenen verändert wird, ändern sich auch die errechneten Unwuchten.
  • Aus ermittelter Unwucht Berechnung des Unwuchtausgleichs.

5. WUCHTGÜTE G

Diagramm zum Ablesen der zulässigen Restunwucht | © HAIMER
Die zulässige Restunwucht kann auch aus einem Diagramm abgelesen werden: x-Achse: Betriebsdrehzahl y-Achse: Restunwucht bezogen auf Rotorgewicht.

In DIN ISO 1940-1 (früher VDI-Richtlinie 2060) sind die Grundlagen der Unwuchtmessung und des Auswuchtens festgelegt. Die Genauigkeit einer Auswuchtung wird mit der Wuchtgüte G (früher: Q) angegeben.

Die Wuchtgüte gilt immer nur für eine bestimmte Betriebsdrehzahl des Rotors.

Aus Wuchtgüte, Betriebsdrehzahl und Gewicht des Rotors wird die zulässige Restunwucht berechnet.


Uzul = (G•M)/n • 9549

Uzul = zulässige Restunwucht des Rotors in gmm
G = Wuchtgüte
M = Gewicht des Rotors in kg
n = Betriebsdrehzahl des Rotors in min-1
9549 = konstanter Faktor, der sich aus der Umrechnung der Maßeinheiten ergibt

Beispiel:

  • Ein Fräser wird in eine Spannzangenaufnahme gespannt.
  • Das Gesamtgewicht beträgt 0.8 kg
  • Der Fräser soll mit n = 15.000 min-1 eingesetzt werden
  • Der Spindelhersteller verlangt eine Wuchtgüte von G = 2.5
  • Zulässige Restunwucht Uzul = 1.3 gmm

6. ERZIELBARE GENAUIGKEIT

Im obigen Beispiel ergibt sich eine zulässige Restunwucht von 1.3 gmm. Zur Veranschaulichung
dieses Wertes ist es günstig, die Unwucht in Exzentrizität umzurechnen.

Uzul = M • ezul
ezul = Uzul/M =1.3 gmm/800g = 0.0016 mm = 1.6 μm

Der Schwerpunkt der Aufnahme darf also um max. 1.6 μm aus der Drehachse versetzt sein.
Beim Auswuchten wird als Drehachse die Achse des Steilkegels bzw. HSK angenommen. In der
Fräsmaschine dreht sich das Werkzeug aber um die Spindelachse.

Selbst neuwertige Spindeln weisen einen Rundlauffehler von bis zu 5 μm auf (entspricht Exzentrizität
e = 2.5 μm).

Weiteres Beispiel:
Wuchtgüte G = 1
Betriebsdrehzahl n = 40.000 1/min
Werkzeuggewicht M = 0.8 kg
Uzul = 0.2 gmm
ezul = 0.3 μm
Diese zulässige Exzentrizität ist in der Praxis nicht erzielbar!
Alleine die Wiederholgenauigkeit beim Werkzeugwechsel liegt bei guten Spindeln bei 1-2 μm.
Geringste Verschmutzungen verschlechtern das Ergebnis wesentlich.

Die Gesamtunwucht (und damit die Rundlaufgenauigkeit) einer Frässpindel setzt sich aus vielen Komponenten zusammen:

  • Unwucht der Spindel als Einzelteil
  • Unwucht durch Rundlauffehler der Spindel (Symmetrieachse ungleich Drehachse)
  • Rundlauffehler von Anbauteilen der Spindel (Drehdurchführung für KM-Zuführung, Spannsystem)
  • Seitlicher Verzug des Spannsystems bei Spannung (Federpaket, Zugstange)
  • Rundlauffehler und Schrägstellung der Werkzeugaufnahme in der Spindel
  • Unwucht der Werkzeugaufnahme als Einzelteil
  • Rundlauffehler des Anzugsbolzens (Versatz)
  • Rundlauffehler des Werkzeuges
  • Unwucht von Anbauteilen der Werkzeugaufnahme (z. B. Spannmutter)

Fazit:

Eine zulässige Restunwucht von weniger als 1 gmm ist in der Praxis unrealistisch!

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